Entstehung der Gemeinde
Neudörfl ist auf dem Gelände der mittelalterlichen Siedlung Wart ("Röjtökor") entstanden, die, wie manche andere mittelalterliche Ortschaft auch, im Zusammenhang mit den geänderten Bedürfnissen des städtischen Handels von Wiener Neustadt aufgelassen worden war. Nach dieser bereits im Mittelalter erfolgten Verödung des ursprünglich von petschenegischen Grenzwächtern besiedelten Dorfes wurden die saftigen "Wart-Wiesen" im Sauerbrunner Bereich und die ausgedehnten Weidegründe auf dem heutigen Neudörfler Territorium gegen die Leitha zu künftig als Weideplätze für die aus Ungarn über Ödenburg angetriebenen Ochsenherden extensiv genutzt. Als sich im 16. Jahrhundert nach dem Vordringen der Türken der Ochsentrieb entlang der Donau konzentrierte, wurde das Weiden- und Wiesengelände zu einem Teil von Pöttschingern und Mattersdorfern als Zinsgrund genutzt, zum anderen Teil den Wiener Neustädtern und anderen angrenzenden niederösterreichischen Herrschaften als Viehweide verpachtet.
Der Beginn der Dorfsiedlung Neudörfl fällt in das Jahr 1644, als der Forchtensteiner Hofrichter des Grafen Nikolaus Esterházy in Abwesenheit seines Herrn einen neuen Dorfflecken zu erbauen begonnen hatte. Das neue Dorf kam der Stadt aus vielen Gründen ungelegen: Man fürchtete die Errichtung einer ungarischen Festung auf diesen Grundstücken, weiters würden die umliegenden Siedlungen wirtschaftliche Einbußen erleiden, und außerdem schienen die ungarischen Weingartenbesitzungen der Wiener Neustädter gefährdet. Nach dem Tod des Nikolaus Esterházy 1645 setzte sein Sohn Ladislaus den Dorfbau fort; wiederum wurde die Beseitigung des Dorfes durch eine Beschwerde gefordert, die jedoch erfolglos blieb. Erst als sich Esterházy anschickte, 1650 direkt gegenüber der Stadt an der Leitha ein großes Mühlgebäude mit Brau- und Wirtshaus zu erbauen, mit der scheinbaren Absicht, es zu einem Kastell auszuweiten, nahm sich die Regierung nach einer weiteren Beschwerde der Stadtgemeinde der Angelegenheit an.
Archäologische Funde in Neudörfl
Siedlungsreste aus der Jungsteinzeit (Neolithikum) geben Zeugnis davon, dass das heutige Gemeindegebiet bereits vor 7000 Jahren besiedelt war. Im Zuge des Baues der Schnellstraße S 4 kamen in Neudörfl bronzezeitliche Grabfunde zutage. Von einem vor 1914 in Neudörfl entdeckten Schatz mit 37 keltischen Großsilbermünzen aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert konnte das Burgenländische Landesmuseum eine Münze erwerben.
Aus dem ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert gibt es Hügelgräber der norisch-pannonischen Hügelgräberkultur. Als Grabbeigaben wurden darin Bronzegeschirr, Bronzefibeln sowie Tongefäße gefunden. Zwei südlich von Neudörfl in der Ried Langäcker aufgefundene frührömische Grabsteine aus Sandstein befinden sich heute im Museum Wiener Neustadt, ein weiterer im Burgenländischen Landesmuseum.
1942 wurde nordwestlich des Ortes das Bruchstück eines römischen Reliefgefäßes aus grünem Serpentin gefunden. Ebenso wurden dort bei Baggerarbeiten zahlreiche Sandsteinquader mit qualitätvollen mythologischen Reliefdarstellungen, Bauteile einer frührömischen Grabkapelle, zutage gefördert, die sich heute im Burgenländischen Landesmuseum befinden.
1246 fand am Gemeindegebiet von Neudörfl die berühmte Leithaschlacht zwischen Friedrich II., dem ungarischen König Béla IV. statt, in der der letzte Babenberger den Tod fand.
Erhebung zum Markt
1652 wurde Neudörfl ("Szent Miklos oder St. Nicola") zum Markt erhoben, wodurch der städtische Handel beeinträchtigt wurde. Ladislaus Esterházys Nachfolger, sein Bruder Paul, zerstreute die Bedenken von Wiener Neustadt und stellte das gute nachbarschaftliche Verhältnis wieder her; der Preis dafür war der stillschweigende Verzicht auf das Marktrecht für Neudörfl. In der Folgezeit wuchs die Dorfgemeinde rasch an.
1719 wurden die Dörfer Pöttsching und Neudörfl samt der Leithamühle verpfändet. Diese zeitweilige Loslösung der Orte aus dem Verband der Grafschaft Forchtenstein kann als Beginn der selbständigen Herrschaft Pöttsching-Neudörfl-Leithamühl betrachtet werden, da diese Besitzungen seit 1719 eine eigene Verwaltungseinheit bildeten. Daraus entwickelte sich später die Herrschaft Pöttsching.
Aus einer Steuerkonskription des Jahres 1755 ist zu ersehen, dass die Siedlung gegenüber 1675 geschrumpft war; die Ursachen hierfür dürften Kriege, die allgemeine wirtschaftliche Stagnation sowie Unwetter, Feuer und Epidemien gewesen sein.
Die erste ungarische staatliche Volkszählung von 1787 weist Neudörfl wieder als wachsende Gemeinde aus, auch die nachfolgenden wirtschaftlichen Belastungen durch die Franzosenkriege und wiederum häufig auftretende Naturkatastrophen konnten das Anwachsen des Dorfes nicht verhindern. Viele Einwohner dürften bereits damals in der jungen Industrie des benachbarten Wiener Beckens Arbeit gefunden haben.
Industrielle Entwicklungen in Neudörfl
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte die erste industrielle Betriebsgründung in Neudörfl (Zündhütchenfabrik), der durch den Anschluss des Marktes an das moderne Verkehrsnetz (1845 bis 1847) bald weitere Betriebsgründungen folgen sollten. Nicht zuletzt dadurch wandelte sich allmählich die Struktur der Ortsbevölkerung: Die Landwirtschaft trat noch weiter in den Hintergrund. Kleinhandwerker, Fuhrwerker und die für die niederösterreichischen Manufakturbetriebe arbeitende breite Bevölkerungsschicht wandelten sich zur Industriearbeiterschicht.
Das große Esterházysche Wirtshaus und die Bierbrauerei lockten nach wie vor Gäste aus Österreich; sie bildeten lebendige Brücken über die Leithagrenze, die in der Folgezeit als Kristallisationspunkte politischer, kultureller und gesellschaftlicher Bewegungen Gewicht erlangen sollten.
Die Revolution von 1848 bekam Neudörfl durch den Abriss der Leithabrücke und die Errichtung von Straßensperren und Schanzen von Seiten ungarischer Nationalisten zu spüren; der Durchmarsch kaiserlicher Truppen erfolgte jedoch ohne kriegerische Handlungen.
In der Geschichte, sowohl der österreichischen als auch der ungarischen Arbeiterbewegung, spielte Neudörfl als Grenzgemeinde immer wieder eine Rolle. So wurde im Jahr 1873 ein Streik gegen einen Wiener Neustädter Betrieb von Neudörfl aus geleitet; 1874 fand der Gründungsparteitag der österreichischen Sozialdemokratie in Neudörfl statt.
1911 und 1912 wurden im Ort große Kundgebungen für die Einführung des allgemeinen Wahlrechtes abgehalten. Ab 1898 musste der Ort den amtlichen Namen "Lajtaszentmiklos" führen.
Auswirkungen der Weltkriege
Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde Deutschwestungarn - und damit auch Neudörfl - der Republik Österreich zugesprochen, aber erst 1921 durch den Einmarsch des österreichischen Bundesheeres angeschlossen.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges brachte einschneidende Veränderungen für die ohnedies schon durch die Zwischenkriegszeit verunsicherte Bevölkerung. 1943 wurde wegen der Flugzeugwerke in Wiener Neustadt, die ein bevorzugtes Ziel alliierter Bombenverbände darstellten, in Neudörfl eine Flakabteilung stationiert. Die Produktion von Rüstungsmaterial wurde in die Neudörfler Textilfabrik ausgelagert. Im Jahr 1944 wurden nach einem der vielen Bombenangriffe auf Wiener Neustadt in Neudörfl 108 Bombeneinschläge gezählt; es gab jedoch keine Personenverluste.
Gegen Kriegsende war Neudörfl Durchzugsort von Armeeteilen und Scharen von Flüchtlingen. Die russischen Truppen rückten nahezu kampflos in den Markt ein. Dem Einmarsch folgte eine Seuche: Das Fleckfieber raffte zahlreiche Ortsbewohner dahin. Die Hauptsorge des bald von der Besatzungsmacht eingesetzten provisorischen Gemeindeausschusses galt der Ernährungssicherung der Bevölkerung, der Beseitigung der Epidemie und der Wiederaufnahme des Schulbetriebes. Bereits in den Wirren der Nachkriegszeit wurde der Grundstein für das heute weit über die Grenzen Europas bekannte Unternehmen "Neudörfler Büromöbel" gelegt. Der Betrieb ist heute das Aushängeschild und die wirtschaftliche Visitenkarte von Neudörfl.
Entstehung der Infrastruktur
Mit einem Festakt brachte die Anthroposophische Gesellschaft im Jahr 1951 an dem Bahnhofsgebäude von Neudörfl, eine Gedenktafel an; hier hatte Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, zehn Jahre lang gewohnt.
1962 fand die Eröffnung und Weihe eines neuen Hauptschulgebäudes statt; 1964 wurde die großzügige Renovierung der Volksschule in Angriff genommen. Grünanlagen an der Hauptstraße, auf den Plätzen vor der Kirche, beim Rathaus und bei der Schule wurden gestaltet. Wohnhausanlagen und Wohnsiedlungen wurden geschaffen, außerdem folgte eine Reihe von Betriebsansiedlungen.
1970 konnten das neue Rathaus und der Martinihof ihrer Bestimmung übergeben werden.
Am 7. März 1973 erhob die Burgenländische Landesregierung die Gemeinde Neudörfl in Würdigung ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung zum Markt; weiters fand die Wappenverleihung statt. Im selben Jahr erfolgte die Verschwisterung mit der Schweizer Gemeinde Zollikofen.
Die Eröffnung der neuen Volksschule sowie des Kindergartenzubaues wurde 1978 vorgenommen; 1981 war der Um- und Zubau der Hauptschule fertiggestellt.
Der erste offizielle Badebetrieb am Badesee konnte 1983 aufgenommen werden.
Der soziale Wohnbau in den letzten 30 Jahren führte zu einer für burgenländische Gemeinden untypischen Bevölkerungszunahme. Zählte die Marktgemeinde Neudörfl bei der Volkszählung 1961 lediglich 2.488 Einwohner, erhöhte sich bei der Volkszählung 1991 die Einwohnerzahl auf 3.324 (heutiger Stand: 4.999).
Am 11. Mai 1984 wurden die Wohnanlage Theodor Kery-Hof und am 17. Juni 1988 die Wohnanlage Wiener Neustädter-Hof ihren Bestimmungen übergeben; am 17. Juli 1990 konnte die Generalsanierung der Wohnanlage Anton-Proksch-Siedlung 4 abgeschlossen werden. Der Rathausplatz und die Straße im Neugebäu wurden 1987 neu gestaltet.
Der Rückbau der Hauptstraße, der eine Verkehrsberuhigung und somit auch eine Steigerung der Lebensqualität mit sich brachte, wurde im Jahr 1991 beendet.
Durch die Bevölkerungszunahme mussten auch im Schul- und Kindergartensektor Neubauten vorgenommen werden. So erfolgte am 10. Oktober 1992 die feierliche Eröffnung der Mehrfachturnhalle in der Hauptschule; seit 13. Dezember 1996 können sich die Volksschüler ebenfalls an einer eigenen zeitgemäßen Turnhalle erfreuen und im September 1997 wurde ein modern gestalteter Kinderspielplatz fertiggestellt. Mit Beginn des Kindergartenjahres 1998/99 wurde der neuerrichtete zweigruppige Kindergarten seiner Bestimmung übergeben und im Jahre 2000 wurde eine Kinderkrippe geschaffen.
Zusätzlich konnten der Zubau und die vollständige Renovierung der Bestattungshalle, sowie die Errichtung eines Urnenhains abgeschlossen werden.
2002 wurde das neu errichtete und nach modernstem Stand der Technik ausgestattete Feuerwehrhaus eingeweiht.
Ein besonderes Augenmerk wird auf Nachhaltigkeit gelegt, denn alle öffentlichen Gebäude Neudörfls sind an das Fernwärmenetz angeschlossen und auf dem Dach des Rathauses, das 2017 umfassend ausgebaut und renoviert wurde, befindet sich eine Photovoltaikanlage. Im Juni 2015 wurde vom Gemeinderat beschlossen auf glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel bei der kommunalen Grünanlagenpflege zu verzichten, um einen wesentlichen Beitrag für den Umweltschutz zu leisten.
2019 wurde das Projekt "Betreubares Wohnen" fertiggestellt, welches den älteren Menschen der Gemeinde ein adäquates Wohnen im Alter ermöglicht.
Die Mittelschule wurde neu gebaut und auf den neuesten Stand der Technik und Pädagogik gebracht. Aufgrund von Platzmangel musste 2024 ein Trakt der neuen Schule aufgestockt werden.
Außerdem werden derzeit für Wohnungssuchende weitere Genossenschaftswohnungen (Single- und Startwohnungen) gebaut. Durch die Errichtung dieser Wohnhausanlagen auf einem ehemaligen Industrieareal konnte die Verbauungsdichte von 100% auf 35% reduziert und damit ein Rückbau von Bodenversiegelung erreicht werden.
Die vorbildlichen Leistungen der Marktgemeinde Neudörfl entsprechen der erfreulichen Aufwärtsentwicklung des Ortes mit einer hervorragenden infrastrukturellen Versorgung, einem florierenden Gemeinwesen sowie der wirtschaftlichen Bedeutung, die Neudörfl heute einnimmt.